Panoramatapete "Les Sauvages de la Mer Pacifique"
Panoramatapete "Les Sauvages de la Mer Pacifique"
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Inventar Nr.:
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L DTM 476 (L DTM 478) |
Bezeichnung:
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Panoramatapete "Les Sauvages de la Mer Pacifique" |
Künstler / Hersteller:
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Joseph Dufour et Cie (1797 - 1836), Hersteller Jean-Gabriel Charvet (1750 - 1829), Entwurf
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Datierung:
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1804 |
Objektgruppe:
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Panoramatapete |
Geogr. Bezug:
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Paris |
Material / Technik:
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farbiger Handdruck mit Leimfarben und Holzmodeln auf Bogenpapier (gerippt), Fond in hellem Blau aufgebürstet, Picots in der Darstellung erkennbar |
Maße:
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Bahn 3 und 4; 199 x 105 cm (Blattmaß) Bahn 5 und 6: 200 x 98 cm (Blattmaß) halbe Bahn 6 195 x 38 cm (Blattmaß) Bahn 7 und 8: 184 x 92 cm (Blattmaß) Bahn 9 und 10: 186 x 108 cm (Blattmaß) Bahn 17 und 18: 199 x 97 cm (Blattmaß) Bahn 19 und 20 199 x 104 cm (Blattmaß)
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Katalogtext:
Fünfundzwanzig Jahre nachdem Kapitän James Cook (1728–1779) auf Hawai von Eingeborenen getötet wurde, entstand viele tausend Meilen entfernt in der französischen Manufaktur Dufour in Mâcon eine der ersten farbigen Panoramatapeten überhaupt. Von diesem kultur- wie tapetengeschichtlich gleichermaßen interessanten Wanddekor mit dem nach Abenteuer und Exotik klingenden Namen Les sauvages de la mer pacifique ou Les voyages du Capitaine Cook (im Folgenden: Les sauvages) haben sich weltweit an die vierzig Exemplare, davon wiederum fünfzehn komplett erhalten.
Die Panoramatapete bietet dem Betrachter auf insgesamt zwanzig Bahnen eine Schau von vierzehn pazifischen Inseln an, die ein bereits durch Jean-Jacques Rousseau im 18. Jahrhundert geprägtes Idealbild des ›Guten Wilden‹ im Paradies vermitteln. Dieser fischt, pflückt Früchte vom Baum, tanzt, ist in prächtige Gewänder gekleidet oder trägt – in antikisch geprägtem Muster – sportliche Wettkämpfe aus. Die positiven Versatzstücke wurden aus Reisebeschreibungen oder Bildquellen entsprechend den Regeln der ›bienséance‹ herausgefiltert und mit akademisch geschulten Kompositions- und Farbschemata einer Theaterstaffage gleich zusammengesetzt. Negatives wie Menschenfresserei in Neuseeland, Nacktheit und Tätowierungen – Ausdruck einer sozialen Hierarchie – ebenso wie der Tod des Kapitän Cook auf Hawai werden nicht dargestellt oder nur angedeutet; die im Bild zensierten Aspekte werden allein in einer heute noch erhaltene achtundvierzig Seiten umfassende Verkaufsbroschüre der Manufaktur Dufour, mit der diese 1804/1805 die Bildtapete Les sauvages bewarb. Sie liefert nicht nur wichtige Hinweise zur Genese der Tapete, sondern beschreibt darüber hinaus die Möglichkeiten ihrer Rezeption aus der Verkäuferperspektive heraus. Die von Dufour in seiner Verkaufsbroschüre besonders hervorgehobene Bildungsfunktion wird – neben der ästhetischen Dimension – die wichtigste Funktion der Bildtapete gewesen sein. Es entstand so ein noch in der Tradition des idyllischen Landschaftszimmers stehendes Interieur, das sich bereits im 18. Jahrhundert einer großen Beliebtheit erfreute. Einen neuen Akzent dieser Gattung sollte fünfundzwanzig Jahre später Jean Zuber mit der Herausgabe der Panoramatapete Les Vues du Brésil (1829/30) setzen, deren Politisierung mit Szenen wie etwa der ›Überfall der Weißen auf die Indianer‹ neuartig war.
Die Abfolge der verschiedenen Szenen sollte – entsprechend den Vorschlägen in der Verkaufsbroschüre Dufours – variierbar sein. Die Aufteilung von je zwei Szenen à zehn Bahnen vereinte jeweils eine zentrale Hauptszene: Drei tahitianische Tänzerinnen, deren Darbietung vermutlich nicht zufällig an die ikonografische Tradition der drei Grazien anknüpft zum einen, und die der an antike Athleten erinnernden Kämpfer zum anderen. Diese konnten weiter untergliedert werden in drei Szenen à sechs Bahnen mit den Hauptszenen des tahitianischen Tanzes (IV bis IX), den Szenen des Kampfes auf Tongatabo (XII bis XVII) und der Bahn XVIII. Die übrigen zwei Bahnen werden für den Zwischenraum von Fenstern angeraten (X und XI). Schließlich erlaubt die Komposition eine Unterteilung in vier Szenen à fünf Bahnen: Der tahitianische Tanz (III bis VII), der – kaum erkennbare – Tod Kapitän Cooks (VIII bis XII), die Bahnen XVIII bis II, auf denen die dichteste Konzentration von als hässlich beschriebenen Ethnien vorherrscht, und schließlich die Kampfszene auf Tongatabo (XIII bis XVII). Die erste und letzte Bahn waren dabei so konzipiert, dass sie zusammengesetzt wieder eine Szene ergaben.
Im Gegensatz zu der gleichzeitig realisierten Tapete aus der Manufaktur Zuber in Rixheim Les Vues de Suisse mit beschaulichen und dem europäischen Kulturkreis vertrauten Ansichten der Schweiz , mutete die von den Reisen des Kapitän Cook inspirierte fremdländische Szenerie mit ihrer exotischen Vegetation und den teils halbnackten, teils aufwendig mit Federn und Umhängen bekleideten verschiedenen Ethnien mehr als ungewöhnlich an. Sie erweckte daher auch die Aufmerksamkeit der Jury auf der Exposition des produits de l’industrie française, auf der beide Tapeten 1806 in Paris ausgestellt waren:
»Monsieur Joseph Dufour hat neuartige Tapeten entwickelt, deren von den Reisen des Kapitän Cook inspirierte Themen das Ungewöhnlichste sind, das der Markt momentan zu bieten hat.« (Zitiert nach: Nouvel-Kammerer 1990 (wie Anm. 4), S. 308. Übersetzung Verfasserin)
(AW rund 5000 Zeichen)
Literatur:
- Nouvel-Kammerer, Odile: Papiers peints panoramiques. Ausstellung Paris 18.09.1990 - 20.01.1991. Paris 1990, Abbildung S. 182.
Letzte Aktualisierung: 10.09.2024